Die Schneegruft
Richard Gordon Smith
Broschur
114 Seiten
Format 22 x 15,5 cm
ISBN 978-3-945058-31-2
12 €
E-Book
ISBN 978-3-945058-40-4
7,99 €
Während seines Aufenthalts in Japan zu Beginn des 20. Jahrhunderts sprach Richard Gordon Smith mit Bauern, Fischern und anderen einfachen Leuten über die Mythen und Legenden des Landes.
Sie berichteten ihm von unheimlichen Begebenheiten, wie dem Aufmarsch der Dämonen an einem verlassenen Tempel bei Kyōto, von dem rächenden Geist eines verstorbenen Dienstmädchens und vom Skelettberg, dem Grabmal eines buddhistischen Mönches, der vom Teufel besessen war.
Die Erzählungen wirken auch aus heutiger Sicht fremdartig und bisweilen verstörend, geben aber interessante Einblicke in die Werte und Traditionen, die die Bewohner des Landes bis heute prägen.
Eine Auswahl der achtzehn besten unheimlichen Geschichten aus der Sammlung von Richard Gordon Smith erscheint hier erstmalig in deutscher Sprache.
Der Brite Richard Gordon Smith kam 1898 im Alter von 40 Jahren nach Japan. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie, die ein herrschaftliches Haus in Ambleside im Nordwesten Englands bewohnt und die Winter meist in Biarritz oder an der französischen Riviera verbracht hatte. Aufgewachsen in einem weltoffenen Umfeld, in dem Reichtum auch ohne harte Arbeit vorhanden war, hatte Richard Gordon Smith es an Motivation missen lassen, eine berufsqualifizierende Ausbildung zu absolvieren. Schon früh galt sein Hauptinteresse der Jagd, dem Fischfang und den Reisen. Die Einkünfte aus den Familienunternehmungen reichten aus, um ein solches Leben auch dauerhaft zu finanzieren. Nach der Hochzeit im Jahre 1879 hatte Richard Gordon Smith einige Jahre in Kanada gelebt, bevor er nach England zurückkehrte. Im Mai 1897 erwarb er ein prächtiges Anwesen in Sussex mit der Absicht, sich dort dauerhaft niederzulassen. Kurz darauf kam es zum Zerwürfnis mit seiner Frau. Richard Gordon Smith verkaufte einen Großteil seines Besitzes und verschwand ans andere Ende der Welt. Über Zwischenstationen in Ceylon, Burma, Singapur, Shanghai und Korea erreichte er Japan im Winter des Jahres 1898.
Richard Gordon Smith ließ sich in Kobe nieder, das sich nach der Landesöffnung in den 1850er Jahren innerhalb kürzester Zeit aus einem Fischerdorf zu einer für den internationalen Handel wichtigen Hafenstadt entwickelt hatte. Um 1900 lebten dort etwa 800 Ausländer unter 200.000 Japanern. Bei seinen Reisen durch das Land studierte Richard Gordon Smith die einheimische Fauna und unterstützte fortan das British Museum in London sowie andere Einrichtungen in England, Deutschland und Japan beim Aufbau ihrer naturhistorischen Sammlungen.
Auch für die japanische Kunst interessierte sich der Brite und realisiert dabei, dass für ein Verständnis derselben das Studium der japanischen Mythologie unverzichtbar war. Die Schriften von Lafcadio Hearn und Frederick Hadland Davis waren hierbei wohl sehr hilfreich, aber für Richard Gordon Smith nicht ausreichend. In Gesprächen mit einfachen Leuten wollte er selbst mehr über den japanischen Volksglauben in Erfahrung bringen. Das Sammeln von mündlich überlieferten Legenden wurde zu seiner Leidenschaft. Wie Lafcadio Hearn und Yei Theodora Ozaki hatte Richard Gordon Smith eine besondere Vorliebe für unheimliche Geschichten, in denen Geister, Fabelwesen und monströse Gestalten eine Schlüsselrolle spielen.
Bei einer genaueren Betrachtung der Geschichten von Richard Gordon Smith wird offensichtlich, dass er nicht mit schriftlichen Vorlagen gearbeitet, sondern seine Kenntnisse aus mündlichen Überlieferungen erlangt hat. Die fehlerhafte Schreibweise von Orten und Namen und auch die inkorrekte Datierung von Ereignissen sind ein Beleg hierfür. Doch gerade dies macht den besonderen Charme seiner Sammlung aus, zeigt sich doch dadurch die Unbeholfenheit eines Europäers, der auch nach mehrjährigem Aufenthalt noch Schwierigkeiten hatte, die komplexen Gegebenheiten in seinem Gastland korrekt zu sortieren und zu interpretieren. Die Anmerkungen des Herausgebers ordnen die in den Geschichten geschilderten Ereignisse in den historischen, geografischen und landeskundlichen Kontext ein.